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Der Beratungsmarkt im digitalen Wandel – Neue Fähigkeiten und Qualitäten sind gefragt

Presse

Ein Beitrag von Stephan Lang

Der Beratungsmarkt verzeichnet seit Jahren attraktive Wachstumsraten – nicht zuletzt weil sich die Anbieter mit der Digitalisierung erfolgreich ein neues Feld erschlossen haben. Der Bedarf auf Kundenseite ist groß und wird in absehbarer Zeit nicht abreißen. Die Prüfer und Berater machen dabei allerdings selbst einen tiefgreifenden Wandel durch, denn neue Produkte zwingen zu einer neuen Positionierung und verlangen dem einzelnen Berater neue Fähigkeiten und Qualitäten ab. Längst ist in der Branche ein Kampf um die besten Köpfe entbrannt.

Der Beratungsbedarf im Bereich Digitalisierung ist groß, vielfältig und betrifft Großkonzerne ebenso wie den Mittelstand. Die meisten Unternehmen haben die anfänglichen Strategiediskussionen über die Plattform-Economy und neue digitale Geschäftsmodelle längst hinter sich gelassen und gehen heute ergebnisorientiert vor. Dabei macht sich in vielen Unternehmen Ernüchterung breit. Die meisten der teilweise sehr hohen Investitionen bringen bislang keinen oder wenig zusätzlichen Umsatz.

Die Folge: Unternehmen erwarten von ihren Beratern nicht mehr nur Ideen, sondern Lösungsansätze zur Umsetzung und Monetarisierung der Initiativen. So stärken aktuell Berater auf klassischer Industrieseite mit vernetzten Prozessen und Lieferketten, datenbasiertem Kundenmanagement und neuen Produktionsmethoden das Kerngeschäft der Klienten. Mit auf die Wertschöpfungskette konzentrierten Veränderungsprojekten will man den Weg für ganz neue Geschäftsmodelle ebnen, die in Anbetracht der Transformation kompletter Branchen überlebenswichtig werden können.

Berater im Finanzsektor entwickeln mit hoher Geschwindigkeit disruptive Geschäftsmodelle für und mit Fintechs oder zeigen etablierten Finanzdienstleistern, was zu tun ist, um den Start in die eigene digitale Transformation nicht zu verschlafen.

In der Diskussion mit den Führungsriegen großer Beratungshäuser wird schnell klar, dass es sich hier nicht nur um einen Trend handelt. Die Beratung zur digitalen Transformation hat sich zu einem etablierten Produkt einer milliardenschweren Brache entwickelt. Von Strategieberatung über Management- und IT-Beratung bis zur Wirtschaftsprüfung, von großem Beratungskonzern bis zur Beratungsboutique, von Big Four bis zu Next Ten, alle haben das Thema Digitalisierung längst in ihr Big Picture integriert und glauben an eine konstante Nachfrage.

Trotz sinkender Gewinnprognosen vieler Dax-Konzerne und einem potenziell schwächeren Wirtschaftswachstum sind die internationalen Managementberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen guter Dinge. Ihre Kunden stehen vor zu großen Aufgaben, laufende Mandate als Reaktion auf einen Konjunktureinbruch einfach abzubrechen.

Der digitale Wandel ist aber nicht nur ein Wachstumstreiber für den Beratungsmarkt, er zwingt die Berater zur Veränderung. Die etablierten Häuser rüsten auf mit Zukäufen und Neugründungen, sie implementieren Digital Hubs und Data Labs, um die eigene Wertschöpfungskette zu verlängern. Über die eigentliche Beratungsleistung hinaus möchten sie mehr datengetriebene Marktforschung und auch Data Science, Analytics oder Business Intelligence als Leistungsbausteine anbieten. Ein anderer Ansatz ist ähnlich wie bei einem Company Builder einen schnellen Proof-of-Concept zu realisieren und Prototypen, Apps oder Services für die Kunden zu entwickeln.

So hat sich die Boston Consulting Group erfolgreich zum Themenspektrum Advanced Analytics unter BCG Gamma positioniert. Ein globales Team aus Beratern und Data Scientists verbindet industriespezifisches Wissen mit Expertise in Statistik, Machine Learning, Artifical Intelligence und IT zu Big-Data-Anwendungen. BCG Gamma identifizierte allein im letzten Jahr in über dreihundert Projekten neue Muster und Zusammenhänge in den komplexen Datenbeständen der Kunden. Unter BCG Digital Ventures baut man ferner eine Plattform für Frühphasen-Ventures auf, um gemeinsam mit den weltweit einflussreichsten Konzernen neue Unternehmen zu entwickeln, zu launchen, zu skalieren und in sie zu investieren.

Auch McKinsey & Company expandiert und unterhält weltweit Digital Labs, die sich aus Beratern, IT Experten, Software-Architekten, UX Designern oder agilen Coaches zusammensetzen. Gemeinsam beraten siein den Digital Labs internationale Kunden bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und allen damit verbundenen Ansatzpunkte von IT über agile Frameworks bis zur Wissensvermittlung und Qualifizierung der jeweiligen Organisationsstrukturen.

Der Beratungsriese Accenture setzt nach dem Kauf der Digitalagentur SinnerSchrader verstärkt auf das Thema Customer Experience zur besseren Abgrenzung. Junge Beratungshäuser wie Iskander oder Infront Consulting versuchen sich als Hidden Champions zu Digital Excellence zu positionieren. Funktional spezialisierte Beratungsboutiquen fokussieren sich auf Digitalisierung in der eigenen Domäne, wie etwa Procurement 4.0 bei den Einkaufsstrategen von Kerkhoff Consulting.

Ähnlich agieren der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzern Deloitte mit der Gründung von Deloitte Digital und dem Deloitte Analytics Institute oder PwC mit seinem Experience Center. Der direkte Wettbewerber EY hat im Gegenzug den Digitalberater Etventure gekauft und übernommen. So kann das Haus nun auch mit einer auf digitale Transformation und die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle spezialisierten Strategieberatung Akzente setzen. KPMG setzt dagegen mit seinem Insights Center stärker auf Big Data und hat 2018 Kiana Systems übernommen, Spinn-off und Data-Science-Unternehmen des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.

Man muss zudem feststellen, dass sich für die Wirtschaftsprüfer, die vornehmlich auf der Managementberatungsseite wachsen, durch die Digitalisierung aber auch Chancen für das Audit-Geschäft ergeben. Sie streben unter dem Titel Audit 4.0 eine neue und deutlich effizientere Prüfungsdurchführung an. Dabei liegt ein wesentlicher Aspekt von Audit 4.0 auf der Vernetzung der weltweiten Prüferteams sowie auf der Automatisierung und Digitalisierung der Jahresabschlussprüfung durch den Einsatz von Big-Data-Analysen und Machine Learning.

Diese Schritte steigern die Qualität der Prüfung, da extrem viel mehr Daten analysiert werden können und zudem die Arbeit mit Realdaten möglich wird. Auf diese Weise optimieren die Prüfer auch die Risikoidentifikation und die Ableitung von Verbesserungspotenzialen.

Abhängig vom Stand der Digitalisierung der jeweiligen Klienten, befinden sich die Prüfer bislang allerdings größtenteils in einer hybriden Zwischenstufe, bevor man den Schritt in die digitalisierte Prüfung vollenden kann: Ist einmal die Finanzbuchhaltung automatisiert und auch das interne Kontrollsystem digitalisiert, können IKS-Prüfungen in Echtzeit realisiert, Transaktions- oder Inventarprüfungen ebenso wie Prozessprüfungen automatisiert werden. Die Prüferteams können sich dann vermehrt auf risikobehaftete Bereiche konzentrieren und somit die Sicherheit der Prüfung erhöhen.

Unter dem Aspekt der EU-Audit-Reform kommt zudem weitere Dynamik in den Wirtschaftsprüfungs-markt, da bis 2020 zahlreiche Konzerne den Prüfer wechseln müssen. Ein deutlich digitaler Audit-Ansatz kann zum relevanten Verkaufsargument für den Gewinn neuer Prüfungsmandate werden.

Die Beispiele zeigen es: Die Entwicklung im Consulting- und Audit-Segment ist stark von IT geprägt. Sie dominiert zunehmend die Anforderungen an das Skill Set und Know-how-Profil eines Beraters. Gefragt ist ein Verständnis für digitale Prozesse. Wer zu Service Design, Advanced Analytics oder intuitiv nutzbaren mobilen Anwendungen berät, braucht Erfahrungswerte, die wenige klassische Unternehmensberater mitbringen. Der Trend geht weg vom Generalisten hin zum Ideengeber, der auch als Umsetzer und Analytiker überzeugen kann.

Kunden erwarten von ihrem Berater Neugierde, Kreativität, Konzeptionsstärke und Change-Management-Erfahrung. Auf Partner-Level werden Führungspersönlichkeiten benötigt, die besonders in den Umbruchzeiten in der Lage sind, die Leitplanken zu definieren und den Kurs für den Klienten vorzugeben.

Der Boom stellt die Berater vor Probleme auf Talentseite. Gerade auf Top-Level und im Mittelbau fehlen demografiebedingt die Berater, die über das notwendige Digital Mindset verfügen. Um eine sehr überschaubare Zahl geeigneter Kandidaten buhlen nicht nur die Beratungshäuser, sondern natürlich auch deren Kunden. Viele machen aus der Not eine Tugend und öffnen sich für Quereinsteiger, die in Start-ups oder bei digitalen Vorreitern Expertise aufgebaut haben. Ein Scheitern im Start-up ist dabei kein Makel mehr, sondern wird unter Berücksichtigung der Lernkurve als interessantes Attribut wahrgenommen.

Um dann auch im Wettbewerb gegen favorisierte Häuser wie Amazon und Google bestehen zu können, bedarf es entsprechender Suchstrategien professioneller und bestens vernetzter Personalberater. Denn eines hat sich nicht geändert: Der Aufbau einer vertrauensvollen, persönlichen Beziehung zum Kandidaten und die direkte Diskussion auf Augenhöhe ist auch in der digitalen Welt der entscheidende USP.

Der Artikel erschien am 27. Februar 2019