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Die fetten Jahre in Frankfurt sind vorbei

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Weniger Geld, weniger Luxus: Nobelgeschäfte könnten das Nachsehen haben

13. Dezember 2007 Nachts erstrahlen die Baukräne neben der Alten Oper in weihnachtlicher Lichterkettendekoration. Tagsüber wird schwer geschuftet. Sechs Stockwerke des Frankfurter „Opernturms“ stehen schon. In gut zwei Jahren soll das Hochhaus fertig sein und mit 168 Metern die einen Steinwurf entfernten Zwillingstürme der Deutschen Bank um 13 Meter überragen. Dabei ist der Hauptmieter dieses Wolkenkratzers derzeit alles andere als überragend: Es ist die Großbank UBS, die sich zuletzt auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt verspekuliert hat und deren hiesige Mitarbeiter nun um die in den vergangenen Jahren so üppigen Boni fürchten.

Die UBS gibt sich ebenso wie sämtliche Wettbewerber bedeckt über die Höhe der Bonuszahlungen für dieses Jahr. Doch eines ist klar: Die fetten Jahre sind vorbei. „Der Bonuspool wird um bis zu 40 Prozent kleiner ausfallen“, sagt Özcan Açikel, Geschäftsführer der auf die Finanzbranche spezialisierten Personalberatung Smith & Jessen. Wie in jedem Jahr erfahren die Mitarbeiter der Investmentbanken zwischen Dezember und Januar, wie viel gewinnabhängige Vergütung sie für das Jahr bekommen. Den Anfang machen dieser Tage Institute wie Bear Stearns, Lehman und Goldman Sachs.

Ohne Subprimes ein Rekordjahr

Dabei lief das Jahr in Deutschland eigentlich blendend für die Branche. Das Geschäft brummte, die Investmentbanken stellten wieder kräftig ein, bei manchen aufstrebenden Häusern aus der zweiten Reihe wurden Banker sogar wie zu Zeiten der Technologieblase mit zweijährigen Garantiegehältern gelockt. „Das ist ein Rekordjahr in der Übernahmeberatung für uns“, frohlockt ein Vorstandsmitglied einer der größeren amerikanischen Investmentbanken. Doch die Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt, die seit dem Sommer immer weitere Kreise zog und die gesamten Kreditmärkte infizierte, hat den Investmentbankern die Suppe versalzen. „Wenn es die Subprime-Krise nicht gegeben hätte, wäre das Bonusniveau ähnlich hoch wie 2006“, sagt Açikel. Nicht alle „Headhunter“ erwarten einen so ausgeprägten Einbruch wie er, aber selbst die Zurückhaltenden rechnen mit einem Minus von 15 Prozent.

Und so werden viele der luxusverwöhnten Investmentbanker schmerzliche Einbußen hinnehmen müssen, obwohl sie auf ihren Geschäftsfeldern erfolgreicher waren denn je. Für viele Aktienhändler oder Übernahmeberater war es beispielsweise ein Rekordjahr. Dagegen lief es im Anleihehandel und im Markt für strukturierte Kredite richtig schlecht. Für die Beschäftigten der meisten amerikanischen Investmentbanken ist dies doppelt frustrierend, denn sie leiden auch noch unter den Fehlern, die ihre Banken vor allem auf dem Heimatmarkt begangen haben. Auch aus einem anderen Grund kann sich glücklich schätzen, wer in einem europäischen Haus arbeitet: Er bekommt seinen Bonus in Euro ausgezahlt. „Die Kollegen von den amerikanischen Banken müssen dagegen oftmals auch noch die Dollar-Abwertung in Kauf nehmen“, sagt Tim Zühlke, Partner von Indigo Headhunters.

Mitarbeiterpflege

Als Faustregel gilt, dass Investmentbanken knapp die Hälfte ihres Ertrags an die Belegschaft ausschütten. Für die Mitarbeiter macht der Bonus einen Großteil ihres Gehalts aus. So erhält etwa ein Managing Director – die höchste Hierarchiestufe in den angelsächsisch geprägten Häusern – auf dem deutschen Markt nach Einschätzung von Personalberatern ein Fixgehalt von rund 200 000 Euro. Hinzu kommt noch einmal das Fünf- bis Sechsfache in Form eines Bonus. Insgesamt geht er mit weit mehr als einer Million Euro nach Hause. Auf den unteren Hierarchieebenen liegen die Fixgehälter meist unter 100 000 Euro, auch die Boni sind niedriger. „Das Gros der Beschäftigten im Investmentbanking erhält ungefähr das Anderthalbfache des Fixgehalts als Bonus“, sagt Zühlke.

In der Verteilung des Bonustopfes werden sich die Unterschiede im Erfolg der einzelnen Geschäftsfelder nicht spiegeln. „Stärkere Bereiche werden schwächere subventionieren“, sagt Smith & Jessen-Mann Açikel. Das kommt einer Gratwanderung gleich, denn die Banken wollen nicht ihre besten Mitarbeiter verlieren – gerade diese sind aber stark abwanderungsgefährdet, sobald die Boni sinken. Daher wird sehr stark nach Einzelleistung differenziert. „Die Top-Performer werden zwischen 5 und 15 Prozent mehr bekommen“, erwartet Kajus Rottok, Partner der Personalberatung Ray & Berndtson, „die weniger guten Leute müssen dagegen mit hohen Abschlägen rechnen.“ Wer genauso viel erhält wie im Vorjahr, gilt schon als ziemlich gut. Für die schlechtesten Mitarbeiter wird es dagegen eng – die meisten Investmentbanken setzen einmal im Jahr 3 bis 5 Prozent der Beschäftigten auf die Straße.

„Boni hin, Boni her – unsere Zielgruppe muss nicht aufs Geld achten“

Die Unternehmen, die gewöhnlich vom vorweihnachtlichen Bonusregen der Investmentbanker profitieren, hat die trübe Stimmung noch nicht angesteckt. Der Frankfurter Immobilienmakler Rainer Ballwanz spürt zwar eine Kaufzurückhaltung. Sinkende Boni bereiten ihm aber keine schlaflosen Nächte: „Die richtig teuren Objekte gehen weiterhin gut weg.“ Und auch der örtliche Ferrari-Händler zeigt sich gelassen. „Boni hin, Boni her – unsere Zielgruppe muss nicht aufs Geld achten.“ Ausgezahlt werden die Boni ohnehin erst im Februar. Doch auch danach dürften quietschgelbe Lamborghini Murciélago und silberne Porsche weiter zum Straßenbild Frankfurts gehören, ebenso wie die schwere Rolex weiter am Handgelenk vieler Investmentbanker ticken wird.

Die Rückgänge der Boni erhöhen zwar die Bereitschaft, den Job zu wechseln. „Aber wohin soll er wechseln? Die Banken, die derzeit einstellen, zahlen wesentlich weniger als noch vor einem halben Jahr“, sagt Açikel. Abseits der ganz großen Namen wittern allerdings einige Neuankömmlinge in dem Geschäft ihre Chancen. Dank der schrumpfenden Bonuszahlungen bei den großen Investmentbanken sei es für Jefferies eine günstige Gelegenheit, gutes Personal zu finden, sagt David Weaver, Leiter des internationalen Geschäfts der auf den Mittelstand spezialisierten amerikanischen Bank, die kürzlich in Frankfurt ihre Pforten eröffnet hat. Auch manche große Investmentbank stellt noch ein. „Wir werden uns in Deutschland weiterhin mit zusätzlichen jungen Investmentbankern verstärken“, sagt Patrick Schmitz-Morkramer, einer der beiden Leiter des deutschen Investmentbankings von Lehman Brothers.

Köpfe rollen, Boni bleiben

Angesichts der derzeitigen Unsicherheit dürften es viele vorziehen, nicht zu wechseln. Anders als London oder New York ist Frankfurt bislang freilich von Entlassungswellen verschont geblieben. Denn die Mitarbeiter in den besonders betroffenen Bereichen – strukturierte Produkte, Übernahmekredite und Anleihehandel – sitzen meistens in London. „In diesen Bereichen werden noch viele Köpfe rollen“, sagt ein Investmentbanker. Der Ausblick auf 2008 sieht freilich auch für den deutschen Standort nicht allzu rosig aus. „Das nächste Jahr wird hart“, prophezeit Açikel. „Der Bonuspool dürfte ähnlich ausfallen wie in diesem Jahr, aber auf weniger Mitarbeiter verteilt werden.“ „Die Aussichten Ende vergangenen Jahres waren deutlich besser als jetzt“, sagt ein Vorstand einer in Deutschland sehr aktiven europäischen Investmentbank. „Es war selten so schwer, das Budget zu planen. Wir gehen aber im nächsten Jahr insgesamt von einem leichten Mitarbeiterabbau im Investmentbanking aus.“

Der Frankfurter Opernturm wird sich gleichwohl füllen. Die UBS hat mehr als die Hälfte der Büroräume gemietet und will ihre bislang auf mehrere Standorte verteilten 1350 deutschen Mitarbeiter im Jahr 2010 komplett dorthin verlegen – unabhängig vom Ausgang der Finanzkrise.

Text: F.A.Z., 13.12.2007, Nr. 290 / Seite 23
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