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In Banken leben Dinosaurier: Cobol kaum totzukriegen

Presse

Blick in die IT-Abteilung einer Großbank

Blick in die IT-Abteilung einer Großbankvon Florian Hamann

Die Evolution hat die Dinosaurier längst dahingerafft. Sie existieren heute nur als Relikte in Versteinerungen, oder als Plastikausführungen im Kinderzimmer. Dagegen erweist sich ein Dinosaurier unter den Programmiersprachen als quicklebendig: Cobol. Aktuell suchen etwa UBS und Dekabank nach Cobol-Kennern. Die Common business-orientated language (Cobol) wurde in den späteren 50er Jahren entwickelt und wird heute vor allem noch in einer Branche geschätzt. „Fast alle Banken und Versicherungen haben noch Großrechner im Keller, auf denen Kernanwendungen in Cobol laufen“, versichert Personalberater Hans M. Mantell von Indigo Headhunters in Frankfurt. Benutzt werde die Uraltprogrammiersprache von Zahlungsverkehrssystemen, über die z.B. Kontoumsätze, Wertpapierhandel und andere Transaktionen verbucht würden. „Auf der Cobol-Autobahn herrscht noch immer viel Verkehr.“

Die Programmiersprache liefe in der Praxis seit Jahrzehnten recht stabil und „hat sich mit über lange Zeit gewachsenen Strukturen in die komplexe Systemlandschaft von Finanzdienstleistern mit vielen Schnittstellen eingebettet. Diese Systeme müssen 24 Stunden an sieben Tagen die Woche laufen, da können sich Banken, Versicherungen oder auch Börsen keinen Ausfall erlauben“, erklärt Mantell den anhaltenden Erfolg. „Dies erschwert den Austausch durch modernere Systeme, da eine Umstellung nicht nur teuer ist – genau wie der Betrieb der alten Systeme, sondern auch ungeahnte Risiken birgt. Oft sind die alten Programme und deren Schnittstellen schlecht bis gar nicht dokumentiert und haben den Charakter einer Blackbox: Keiner weiß genau, welche Programme wo und auf welche Daten zugreifen. Dann heißt es lieber: ,Never touch a running system’.”

Nachfrage nach Cobol-Programmierern ungebrochen

Laut Mantell gebe es einen veritablen Mangel an Cobol-Programmierern, wie es zuletzt bei der SEPA-Umstellung zu beachten gewesen sei. Für junge Leute sei die Sprache – anders als Java – „wenig sexy“. Angesichts des absehbaren Aussterbens des Cobol-Universums in den kommenden 10 bis 15 Jahren würden viele jüngere Programmierer die Investition in das Erlernen dieser Sprache hinterfragen. „Darüber hinaus bilden immer weniger Finanzdienstleister in Cobol aus“, beobachtet Mantell. „Die mussten feststellen, dass frisch ausgebildete Cobol-Experten schnell von Wettbewerbern abgeworben wurden.“ Nicht zuletzt arbeite die Vielzahl der älteren Cobol-Programmierer oft schon seit Jahrzehnten bei demselben Unternehmen und hätten dort entsprechende Ansprüche aufgebaut. Die durchschnittliche Berufserfahrung läge bei rund 30 Jahren. Manche hätten noch Altverträge, die eine Altersvorsorge von 80 Prozent des letzten Nettogehalts vorsehe. „So etwas geben Sie einfach nicht so schnell auf“, sagt Mantell.

Mit Cobol sind auch Kandidaten jenseits der 50 begehrt

Umgekehrt bekämen im Cobol-Universum auch noch ältere Kandidaten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, erläutert Mantell. „Cobol-Programmierer mit über 50 und sogar über 60 lassen sich noch vermitteln“, bestätigt Headhunter Roland Lochte von Kimberlite Consulting in Frankfurt. Es gebe sogar Banken, die noch gemeinsam mit Hochschulen in Cobol ausbilden, um ihren Eigenbedarf zu decken.

Dagegen stellt Headhunter Mark Dowsett von Stamford Consulting in Zürich ein Nachlassen der Nachfrage nach Cobol-Programmierern fest. „Das war vor fünf Jahren sicherlich ein größeres Thema als heute“, sagt der Personalberater. Die Banken würden mittlerweile Kenner von nicht so komplexen Sprachen wie der Excel-Sprache Visual Basic an Cobol herangeführt, um ihren Arbeitskräftebedarf zu decken.Personalmangel

Personalmangel stellt einen Grund dar, wieso das Ende von Cobol absehbar ist

Mantell sieht in der akuten Personalknappheit einen weiteren Grund dafür, weshalb die Finanzdienstleister den Ausstieg aus der Uraltprogrammiersprache vorantreiben müssten. Es werde bald einfach nicht mehr genug Cobol-Kenner geben. „Teilweise holen Banken ihre Experten im Rentenalter noch ein paar Mal im Monat ins Haus, um auf den Mainframes nach dem Rechten zu sehen”, erzählt Mantell.

Unterdessen warnt ein anderer Headhunter aus Zürich sogar vor einer Beschäftigung mit Cobol. „Wer sich als Cobol-Programmierer in eine andere Richtung wie etwa Projektleitung weiterentwickeln möchte, kommt regelmäßig nicht zum Zuge.“

Hohe Gehälter und Tagessätze

Doch noch können Cobol-Programmierer gutes Geld verdienen. Da es sich um einen Kandidatenmarkt handle, könnten Cobol-Experten ähnlich hohe Vergütungen wie Java-Entwickler durchsetzen, obgleich die Sprache vergleichsweise schlicht sei, beobachtet Mantell. Dem Headhunter zufolge seien mit wenigen Jahren Berufserfahrung Gehälter von 80.000 bis 85.000 Euro möglich. Nach Lochtes Erfahrung gebe es unter den Cobol-Programmierern auch viele Freiberufler: „Ein Tagessatz von 800 Euro ist durchsetzbar.“

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