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Kreditinstituten droht Führungsvakuum

Presse

Frankfurter Personalberater vermisst Top-Nachwuchskräfte – Menschenführung lange vernachlässigt

Ein Beitrag von Tobias Fischer

In der Finanzindustrie sieht Personalberater Andreas Krischke ein Führungsvakuum heraufziehen. „Wir werden Führungskrisen haben, weil keine Führungspersönlichkeiten ausgebildet wurden“, sagt der Gründer und Geschäftsführer von Indigo Headhunters in Frankfurt. In der Vergangenheit seien oft diejenigen ins höhere Management aufgestiegen, welche die höchsten Umsätze verantworteten, aber nicht unbedingt die Gewandtesten in der Menschenführung waren. „Nötig sind People Manager, keine Leute, die nur den Kunden gut managen“, meint Krischke, der Indigo Headhunters im Jahr  2007 gegründet und sich auf Financial Services spezialisiert hat.

Anforderungen ändern sich

Das Anforderungsprofil ändere sich zwar, werde doch bei der Auswahl der Nachwuchskräfte mittlerweile stärker berücksichtigt, wer gut Menschen führen könne. Allerdings sei es schwierig, genügend fähige Leute zu finden, um die Führungsetagen der Banken neu zu besetzen – und das schnell. Laufe ihnen doch die Zeit davon.
Beredte Beispiele dafür, wie akut die Lage ist, dürften die Commerzbank und der Bankenverband abgeben, auch wenn Krischke das nicht sagt. Knall auf Fall kündigten Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann und Vorstandschef Martin Zielke Anfang Juli ihren Rückzug an und stürzten Deutschlands zweitgrößte Privatbank ins Führungschaos. Dau
ert die Suche nach einem Nachfolger für Zielke, der spätestens zum Jahresende ausscheidet, an, so ist für
Schmittmann Ersatz gefunden. Dem 67-jährigen früheren LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter obliegt die Aufgabe, einen Vorstandschef zu finden. Kein besseres Bild gibt der Bundesverband Deutscher Banken (BdB) ab, dem mit dem angekündigten Rückzug Zielkes von der CommerzbankSpitze der Präsident abhandenkam. Die Leerstelle vermochte vorübergehend nur der vorherige Verbandspräsident Hans-Walter Peters (65) abermals zu füllen, da sich kein anderer Kandidat auftat.

Kulturwandel vonnöten

Dass die Fähigkeit zur Menschenführung in der Finanzindustrie dauerhaft sträflich vernachlässigt wurde, führt Krischke auf den über lange Zeit reichen Geldsegen zurück, der solche Fähigkeiten schlicht nicht unbedingt erforderlich gemacht habe. Was die Branche nun benötige, sei ein Kulturwandel, und der könne nur von oben kommen. „Es reicht nicht, einfach die Spitze neu zu besetzen. Per se muss die ganze Organisation auf verschiedenen Ebenen neu ausgerichtet werden.“

Restrukturierer gefragt

Die Stimmung in den Banken erlebt er, anders als etwa im Assetmanagement, als sehr negativ. „Keiner kann derzeit sagen, ob das Jahr eine totale Katastrophe wird, sehr schlecht oder einfach nur schlecht. Das sind die drei Alternativen.“ Der bereits vor dem Ausbruch von Corona zu beobachtende Trend zu Kostensenkungen sei durch die Pandemie nochmals deutlich beschleunigt worden. Er beobachte im CorporateFinance-Geschäft einen Kapazitätsaufbau für Restrukturierungsberatung und Kreditabwicklung, um sich für eine Vielzahl von Firmenpleiten und Kreditausfällen bereitzuhalten, auf die sich die Institute ab Jahresende, spätestens aber Anfang 2021, einstellten. Die meisten Banken seien dennoch nicht darauf vorbereitet. In den langen Jahren des Booms, als notleidende Kredite die Ausnahme und Risikovorsorge gering waren, ging diese Expertise verloren.

Der Beitrag erschien in der Börsen-Zeitung, Ausgabe 161 am 22. August 2020

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